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03 10 | '14

Furchtlosigkeit

Diese Woche hab ich eins gelernt: beinahe furchtlos zu sein. Und das kam so:

 

Wir sollten in Gruppen ein Buch auswählen und dieses in Gruppen analysieren. Dafür gab es 12 Fragen, die wir visuell beantworten sollten. Es war nicht ganz klar, ob es vor allem ums humorvolle Illustrieren ging, ums genaue Analysieren des Layouts oder worum auch immer. Beim beiden Feedbacks bekamen wir fast ausschliesslich negative Rückmeldungen und beide Male waren wir ziemlich genervt. Abgesehen davon, dass wir uns fragten, was uns das überhaupt bringen sollte.

"Wir versuchen zwanghaft, deren Erwartungen zu erfüllen", dachte ich bei mir. Und: "Wenn eh alles falsch ist, was wir machen, kann ich genauso gut machen, was mir Spass macht." Also hörte ich auf, zu rätseln, was von uns erwartet wurde. Statt dessen überlegte ich, worauf ich eigentlich Lust habe.

 

Natalie Goldberg hat einmal geschrieben, es gebe zwei Typen. Der eine lernt, wie man ein Fahrrad fährt, indem jemand ihm oder ihr erzählt, was der Vorgang ist, um aufs Fahrrad zu kommen, dass man mit Schwung anfahren muss, dass man den Lenker gerade halten und das Gleichgewicht halten muss. Und ich gehöre zur anderen Gruppe, die sich die Anleitung anhört, nix damit anfangen kann, dann zwanzig Mal auf die Nase fällt, bis es von selbst klappt. "Aha, man muss mit Schwung anfahren, den Lenker gerade halten und auf das Gleichgewicht achten!", sage ich dann erstaunt. "Das habe ich dir doch vor zwei Monaten schon erklärt!", bekomme ich dann normalerweise zu hören. Aber ich lerne nur, indem ich auf die Nase falle.

 

Also beschloss ich, mir meine eigene Lernerfahrung zu basteln. Ich hasse das Layouten. Nicht, weil es an für sich schlecht ist, sondern, weil ich es nicht kann. Ich fühle mich wie ein Esel beim Skifahren.

 

Also bastelte ich mir einen kleinen Sucher (ein Blatt Papier mit einem viereckigen Loch in der Mitte). Damit suchte ich auf Kopien nach spannenden Ausschnitten. Das machte Spass, weil man auch relativ schnell zu einem Ziel gelangt. Der Aha-Moment kam, als ich während der Zugfahrt nach draussen sah. Mein Gehirn setzte sofort die grossen Bäume in der Nähe mit den kleineren in Verbindung und setzte das Ganze in ein Format. Ohne dass man es ihm befohlen hätte. Wenn ich auf dem Papier mit dem Sucher unterwegs bin, behält mein Gehirn den Sucher auch dann bei, wenn ich in der realen Welt unterwegs bin. Das ist eine phantastische Erfahrung.

 

Zurück in der Schule bin ich dann etwas abgedriftet. Ich hab weiter gearbeitet, ohne zu wissen, wohin ich eigentlich steuere. Aber manchmal macht das einfach verdammt grossen Spass! Und wenigstens die letzte Arbeitsstunde in dieser Woche wollte ich Spass haben. Also setzte ich die Ausschnitte falsch ins Layout und schaute, was da passierte. Dann kopierte ich ein Layout, bei dem die Ausschnitte komplett fehlten. Dann vergrösserte und kombinierte ich Ausschnitte. Verkleinerte sie und machte ein repetitives Tapetenmuster daraus.

 

Schlussendlich musste ich mir das Feedback gefallen lassen, ich hätte mich im Prozess verloren. Leider war ich in diesem Moment nicht schlagfertig genug. Denn jetzt würde ich sagen: Ich wusste später nicht mehr, wonach ich gesucht habe, aber ich habs gefunden. Ich hab herausgefunden, wie ich das nächste Mal ein Layout machen werde. Ich hab herausgefunden, dass man Bilder als Tapeten-Hintergrund auf einer Seite verwenden kann. Ich hab gelernt, dass Schrift nicht nur in langweiligen viereckigen Blöcken auftauchen muss. Ich hatte viele tolle Erfahrungen. Und die wichtigste Erfahrung überhaupt: ich muss nur meine eigenen Erwartungen erfüllen. Denn nach dieser Woche habe ich diese kleine Versuchsreihe und verdammt grosse Freude daran.