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29 05 | '17

Kunst.

Kunst, [die]: vom Sprungbrett ins Weltall katapultiert werden, staunend beobachten, wie ein endloser Strom an neuen Blattformen, Krabbeltieren, Atemzügen und Sandläusen an einem vorüberzieht, immer in der Erwartung, irgendwann anzukommen... und im Wissen, dass jegliches beharrliche Verharren gegen die physikalischen Gesetze (geschweige denn ein Ankommen) zu einem Strömungsabriss führen kann. Und in der Einsicht, dass dieser Strom schwallweise im Rhythmus der Gezeiten herbeigeschwemmt wird, so wie der Wachzustand den Schlaf ablöst, wie auf Anstrengung der Hunger folgt, wie nach dem Essen die Verdauung einsetzt.

Es funktioniert nicht, sich der Flut zu widersetzen oder sie kontrollieren zu wollen. Einzig hilft es, die Schleusen zu öffnen, den Strom durch sich hindurch fliessen zu lassen und alles aufzusammeln. Wenn die Ebbe folgt, bleibt genug Zeit, die Fundstücke zu sortieren und zurecht zu schleifen. Oft besteht die Angst, von der Flut überwältigt zu werden und im Strudel unterzugehen. Je öfter man diese Angst überwindet und sich vertrauensvoll dem Wasser anvertraut, desto schräger, verrückter, wertvoller und aussergewöhnlicher werden die Fundstücke.*

*Persönliche Anmerkung: dieses Loslassen der Kontrolle ist ein emotional anstrengender Akt und für manche sehr schwierig zu vollziehen, kann aber durch Training immer mehr verbessert werden. Die Übung ist sehr einfach: ein sehr offenes Thema setzen (z.B. Ekel), das sich aber auch verändern darf, dann radikal jedem Impuls und jeder Idee folgen und gleich umsetzen, egal, was der kleine Kobold auf der Schulter wieder zu kritisieren hat. Das über mehrere Monate hinweg, selbst wenn die Ergebnisse sich nicht zeigen wollen, irgendwann bricht die Barriere. (Und nicht über Sinn oder nicht Sinn gewisser Einfälle sinnieren – das Gehirn liefert keine zufälligen Ideen, denn jedes Element ist mittels Assoziationen mit anderen verbunden.) Und vor lauter verbissenem Trainingseifer das Herumblödeln nicht vergessen. Danach gezielt einzelne Bilder mehrfach zeichnen, weiterentwickeln, vertiefen und so neue Erkenntnisse gewinnen (aber immer auf lustvolle, nicht auf verbissene Art und Weise). Koffein, Zucker, Alkohol etc. können kurzfristig dazu beitragen, die Kontrolle künstlich zu lockern, sind aber aus meiner Sicht auf Dauer nicht geeignet, da sie uns ständig über unsere emotionalen und körperlichen Grenzen hinaustreten lassen und auf Dauer unnötig erschöpfen.