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07 10 | '16

Leer-Raum und Staubsauger-Vertreter

Heute habe ich gelernt, dass der Raum eigentlich fast wie ein Stück Stoff ist und gebogen und gezerrt werden kann. Also nicht jetzt so direkt meine Wohnung (auch wenn ein bisschen Stretching da gar nicht schlecht wäre, um mehr Platz zu schaffen), sondern der Raum in der Sprache der Physik. Zum Glück hat das die SBB noch nicht rausgefunden. Die würden einfach zack! den Raum einmal falten, schon ist man am Ziel. Die GA-Preise würden natürlich trotzdem steigen. Wo kämen wir denn da hin?

Aber zurück zum Raum. Also offenbar hängt der Mond nicht an einem unsichtbaren Faden an der Erde, sondern die Erde formt durch ihre Drehung so eine Art Wölbung (so ähnlich bei einer Kloschüssel) und am Rand der Kloschüssel rollt der Mond so vor sich hin.

Das geht natürlich nur, weil in dem vermeintlich leeren Raum eben doch was drin ist – so Teilchen. Auch wenn man die von blossem Auge schlecht sehen kann. Das heisst, eigentlich ist es überall auf der Welt und draussen im Weltall schon voll. Alles voller Teilchen. Ich frage mich gerade, wann die ersten Staubsauger-Vertreter vor der Tür stehen, die damit werben, dass man mit dem neusten Staubsauger für 10'000.– jetzt auch noch Atom-Partikel einsaugen kann – für eine WIRKLICH saubere Wohnung. Weisses Tuch in den Staubsauger, einmal saugen und dann ab unters Mikroskop. "Sehen Sie? Bei Ihnen ist es dreckig wie bei Hempels unterm Sofa! Atom-Partikel überall!".

Die Leere ist ja in der japanischen Kultur von grosser Bedeutung. Die haben vermutlich schon viel früher kapiert, dass das eben gar nicht wirklich leer ist. Während wir inzwischen sogar beim Warten auf dem Bus keine Pause mehr zulassen können, ohne auf unseren kleinen Knochen zu starren, den wir vorhin im Wald ausgebuddelt haben und jetzt dringend noch drauf rumnagen müssen (das Smartphone – meins hat schon exzessive Nagespuren). Und in der Stadt gibt es die Leere nur noch in exklusiven Schaufenstern – die machen es richtig: Leere drum herum heisst: "Das hier ist wertvoll und wichtig". Wenn ich da mal mein Gehirn anschaue, dann siehts da eher aus wie im 1-Euro-Shop – mit Plastikschrott gefüllt bis unters Dach. Falls mal ein Staubsauger-Vertreter vorbei schaut, sollte ich den vielleicht mal fragen, ob es sowas auch fürs Gehirn gibt. "Sehen Sie, Ihre Gehirn-Gänge sind dermassen verstopft, da würde ein sinnvoller Gedanke nicht mal mehr mit einem Brecheisen durchkommen!"

Was das alles mit Kunst zu tun hat? Hier ein paar Beispiele: Weissräume, Pausen, Vereinfachung, nicht alles hineinstopfen wollen, Langsamkeit, Entschleunigen.

Vielleicht ist es für diejenigen unter uns (und zu denen zähle ich mich), die die Leere nur schlecht aushalten können, ein kleiner Trost: selbst wenn es völlig leer aussieht, es ist immer noch verdammt viel da. Man muss nur genau genug hinschauen.

Ich gehe jetzt mal ein paar Räume falten. Falls ich künftig nicht mehr schreibe, bin ich vermutlich versehentlich in Sibirien gelandet.