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12 10 | '16

Ostereier im Basilikum-Dschungel

Das mit diesem japanischen Prinzip der Leere habe ich ja begriffen. Deshalb habe ich 90% meines Wohnungsinhalts entsorgt – damit sind nur noch ungefähr 2t Material übrig. Und auch die Schönheit in Haikus habe ich erkannt. Ich war ja vor Jahrzehnten mal in einem Schreibkurs und da hab ich schon Haikus geschrieben. Eins fanden die andern Teilnehmer besonders toll. Der ungefähre Wortlaut war:

 

Wiener Würstchen

dazu Senf

lecker!

 

In Zeiten des Vegetarizismus sollte man das jedoch abwandeln. Das würde dann wohl eher folgendermassen zu lesen sein:

 

Vegi-Würstchen

extra-veganer Bio-Spinat dazu

 

 

Nein, die dritte Zeile hab ich nicht vergessen. Da steht was, Sie können es nur nicht lesen. Da steht: "igitt!". Nein, im Ernst, ich finde Vegetarier toll. Also die gemässigten, nicht die Extremisten, welche in jedes Klassenzimmer eine Karotte hängen wollen, um eine freie Religionsausübung zu gewährleisten. Auf der andern Seite gibts natürlich diejenigen, welche immer gerne Fleisch als ihr liebstes Gemüse bezeichnen. (Jaja, schon früher gingen die Neandertaler durch den Wald und pflückten die Schnitzel vom Strauch. Das ganze Gerede wegen der erfolgreichen Jagd war doch nur Macho-Gelaber, um die Frauen zu beeindrucken.)

Zurück zum Thema. Ich liebe also Haikus. Aber die Frage stellt sich doch: wie kriegt man das so hin?

Ich hab jetzt beispielsweise so ein Projekt, das verhält sich wie diese Schlange aus der Sage (der Name ist mir grad entfallen) – Magdalena? Egal. Jedenfalls – wenn man der Schlange einen Kopf abschlägt, wachsen zwei neue Köpfe nach. Das funktioniert beim Basilikum übrigens auch. Wenn man dem einen Trieb in der Mitte mit einer Nagelschere abknipst, wachsen nachher zwei Triebe, sprich: doppelt so viele Blätter fürs Pesto. Ehrlich wahr!* Und nach dem Prinzip funktioniert eben mein Projekt. Naja, nicht ganz – eher so: man schlägt der Schlange den Kopf ab und es wachsen zwei Basilikumstengel nach. Oder Wiener Würstchen – vegane natürlich.

Und wenn ich dann versuche, das Projekt zurecht zu stutzen, dann sieht es aus wie jetzt mein Basilikum (hab nicht gewusst, dass der ein eingebautes Kamel hat, das 100 Liter am Tag säuft): hängende Blätter, kurz vor dem Abserbeln. Egal, wie man es macht, es wird nicht richtig.

Das heisst, meine Vernissage in der Zukunft sieht folgendermassen aus. Entweder, der erste Besucher kommt rein, schaut verwirrt auf den Zettel und fragt: "Wo ist denn hier die Ausstellung?" "Sie stehen direkt davor – es ist der Leer-Raum." (Ist dem Besucher schnurzegal, er ist sowieso nur wegen dem Gratis-Alkohol da.) Oder aber ich drücke dem Besucher gleich am Eingang eine Machete in die Hand. "Einfach durch den Dschungel schlagen. Ist wie beim Ostereier-Suchen – irgendwo ist da ein Kunstwerk drin. Nehmen Sie gleich noch den Gaskocher und Vorräte mit, kann ein Weilchen dauern." Vielleicht besorge ich mir dann noch ein Megaphon und diktiere, während ich draussen durch die Scheibe gucke: "Kalt! Noch kälter. Wärmer! Heiss!" Der Besucher kommt dann schweissüberströmt und von Mückenstichen übersät raus. "Ich hab kein Kunstwerk gesehen. Was war es denn?" – "Ein Blatt."

Vielleicht sollte ich jedem Besucher ein Trüffelschwein an die Leine geben, das die Kunstwerke ausbuddeln geht. Das erspart die lästige Sucherei. Die Herausforderung dabei wäre allerdings, das Kunstwerk zu entfernen, bevor das Schwein es frisst. Andererseits – wenn Kaffeebohnen durch den Verdauungstrakt einer Katze wandern, sind sie hinterher das Fünffache wert. Also Kunstwerk rein in das Trüffelschwein, hinten wieder rausgekackt und siehe da: es ist ein paar Millionen wert. Also nicht, dass gewisse teuer gehandelte Kunstwerke nicht jetzt schon so aussehen würden, aber... lassen wir das.

Es ist schon spät, ich bin müde, deshalb erspare ich mir und Ihnen eine lahme Schlusspointe. Damit empfehle ich mich und allerseits gute Nacht.

 

*Bei Schweinen funktioniert das übrigens nicht. Das ist der kaum wahrnehmbare Unterschied zum Gemüse, liebe Karnivoren.