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24 05 | '16

An sich glauben

An sich zu zweifeln ist einfach. Der Zweifel ist schon da, man muss ihn nur zulassen, sich ihm hingeben. Und wenn ich dann das Bild jemandem zeige, dann sage ich schon einmal präventiv: "Das Bild ist mir nicht gut gelungen." Dem Gegenüber wird damit der Wind aus den Segeln genommen. Aber wäre das nicht ungefähr so, als hätte ich ein Kind und würde es den neuen Nachbarn präsentieren mit den Worten: "Das hier ist Johanna, sie ist sehr schlecht erzogen und dumm." Wieso sabotieren wir uns dermassen selbst? Wieso glauben wir nicht an das, was wir tun? Und wieso tun wir nicht das, wonach unser Herz strebt?

An sich zu glauben, braucht Mut. Man gibt sich einen Vertrauensvorschuss. Ich habe in meinem Leben noch nie einen Film mit Schauspielern gedreht. Zu sagen: "hey, ich schaff das und es wird ein cooler Film, ich glaube dran!", das braucht massiv mehr Mut als zu sagen: "Ich kann das nicht, ich lass es lieber bleiben". Und es gibt garantiert irgendjemand unter tausend Leuten, der dann sagen wird: "Das ist der letzte Dreck." Was dann? Jepp. Tut verdammt weh. Das will man verhindern. Macht sich klein, sabotiert sich selbst, minimiert das Risiko. Zur Hölle mit dem einen unter tausend! Und wenns 999 unter tausend sind, die es für den letzten Dreck halten! Wenn ich mich nicht auf meinen Instinkt, auf mein Bauchgefühl, meine Vision verlassen kann, wie zur Hölle soll ich dann kreativ sein? Mich darauf konzentrieren, was die andern von mir wollen? Und was wäre das genau? Stimmt - das wissen die im Voraus nämlich auch nicht, die wissen nur, dass sie was toll finden, wenn sie es vor Augen sehen. Irgendeinen Kompass braucht es, der uns leitet. Und das muss zuerst einmal unser eigenes Urteil sein. Und wenn diese Intention stark ist, braucht es nämlich nur ein sehr minimales Feedback, um den Kompass zu kalibrieren.

Es gibt keinen Grund, aufzugeben oder zu zweifeln. Ja, vielleicht nach zehn Jahren, wenn ich dann immer noch am selben Punkt stehe wie heute, dann sollte ich mir das überlegen. Aber keine Minute vorher. Und dann gibt es Stimmen, die sagen: "Du hast kein Talent, vergiss es, gib auf." Ich weigere mich, denen zuzuhören. Das wäre ungefähr so, als würde ich der kleinen Johanna von oben im Text sagen: "Du willst Schriftstellerin werden? Vergiss es! Einer unter einer Million wird wirklich Schriftsteller und kann dann auch noch davon leben." Wer weiss, was aus der Kleinen eines Tages wird, was sie mit einer kräftigen Portion Mut und Durchhaltevermögen alles erreichen kann? Woher masse ich mir an, ihre Zukunft beurteilen zu können? Und ist sie dann mit zwanzig tatsächlich Schriftstellerin geworden, werden alle sagen, sie hätten es schon immer gewusst. Besonders die, die vorher ihre riesigen Zweifel angemeldet haben. Im Nachhinein ist alles völlig logisch. Das Problem ist, dass das im Voraus keiner voraussagen kann - nicht einmal die kleine Johanna selbst. Johanna wird vielleicht zuerst eine Ausbildung machen, eine Lehre, sich eine Stelle suchen, weil das zum Leben dazu gehört. Aber nach Feierabend, da wird sie wie eine Verrückte auf ihrem Computer herumtippern und Texte schreiben.

Es wird immer Leute geben, die an einem zweifeln. Es geht aber darum, dem keinen Nährboden zu bieten. Die kleine Johanna würde da trotzig aufstampfen und sagen: "Du hast unrecht! Und ich kanns doch!"

Es gab mal so ein Experiment. Da haben sie der einen Schulklasse gesagt, die Tests seien sehr schwierig und sie seien eher eine schwache Klasse. Der anderen haben sie gesagt, der Test sei einfach und sie seien eine sehr starke Klasse und würden das mit links erledigen. Welche Klasse hatte wohl am Ende die besseren Noten...? Der einzige Unterschied war, dass die einen an sich glaubten und die anderen nicht.

Deshalb weigere ich mich, meinen Selbstzweifeln nachzugeben.