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12 05 | '16

Unterwegs in einer Seifenblase 23

Julia Camerons Bücher sind mir ein wenig zu religiös angehaucht, aber sie schreibt auch sehr viele wichtige und richtige Sachen. Sie meint: du kannst nicht rausgehen und ein grosses Kunstwerk schaffen, du kannst dich nur auf deinen Hosenboden setzen und zuerst mal die Pinsel reinigen, dann einen ersten Pinselstrich malen, dann noch einen - und vielleicht, aber nur vielleicht, wird irgendwann etwas Tolles daraus. Das ist ein sehr wichtiger Punkt - gestalterische Werke entstehen durch Handeln. Das hat unser Studienleiter gleich zu Anfang gesagt: "Viele Leute haben tolle Ideen - aber was nützt die tollste Idee, wenn sie nur in eurem Kopf ist? Am Schluss interessiert es keinen, was ihr euch im Kopf vorstellt - sondern nur das, was ihr tatsächlich umgesetzt habt."

Ich bin ein Genie... darin, Sachen nicht fertigzustellen. Seit meiner Kindheit liebe ich es, Geschichten zu schreiben. Es gibt einige fertige Kurzgeschichten, aber die Romane haben mich immer mehr gereizt - sich über längere Zeit in etwas vertiefen, wirklich eintauchen. Allerdings habe ich mehr Romankonzepte und halbe bis dreiviertel fertiggestellte Romane auf meinem Computer als tatsächlich fertiggestellte. Als ich zum ersten Mal am NaNoWriMo mitgemacht habe, war das eine Erleuchtung für mich - egal, wie scheisse der Roman wird, ihn einfach abschliessen. Und ich war riesig stolz auf mich. Dieser Roman war kompletter Mist, aber ich hatte ihn tatsächlich abgeschlossen! Kein Verlag veröffentlicht einen halben Roman (abgesehen von ein paar berühmten Ausnahmen). Kein Kunde kauft eine halbe Zeichnung. Ein halbes Bilderbuch. Keiner schaut sich einen halben Film an.

Eine Idee fühlt sich im Kopf so wahnsinnig toll an - im Kopf bin ich ein Genie, in der Phantasie kann ich alles. Und man fürchtet sich vor dem Moment, in dem eine Idee umgesetzt wird, denn jetzt liegt sie vor einem im Sonnenlicht. Sie kann sich nicht mehr im Halbdunkeln verstecken. Vielleicht entpuppt sie sich als nicht halb so gut, wie man dachte. Oder aber vielleicht ist sie einfach nicht der grosse Wurf, vielleicht braucht es jetzt noch viel Blut, Schweiss und Tränen, um diese Idee zum Blühen zu bringen. Wir können auf ewig in der Seifenblase schweben und uns erträumen, wie phantastisch unsere Werke sein könnten und wie viel Potential das alles doch hätte... am Ende eines Moduls sitzt man dann mit einem sehr mittelmässigen Ergebnis da und spätestens dann platzt die Blase.

Deshalb geh ich jetzt an meinem Kostüm für Person A mal drei Knöpfe annähen. Und dann schneide ich mit der Laubsäge etwas Plexiglas.